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Am 18. 01. 1871 wird König Wilhelm I. im Spiegelsaal des Versailler Schlosses bei Paris zum Deutschen Kaiser ausgerufen. Der Norddeutsche Bund wird um die deutschen Südstaaten erweitert und mit der Kaiserproklamation zum Deutschen Kaiserreich. Berlin als Preußens Hauptstadt wird nun Reichshauptstadt. Das Parlament dieses neu entstandenen Deutschen Kaiserreiches vergrößert sich entsprechend und benötigt somit ein größeres Haus.
Bismarck läßt die Königliche Porzellanmanufaktur in der Leipziger Straße 4 nach Entwürfen von Friedrich Hitzig unter der Leitung von Gropius & Schmieden zum „Provisorium“ ausbauen, das noch 23 Jahre lang Sitz des Parlamentes bleibt, bis es 1894 in den umstrittenen Prachtbau von Paul Wallot neben dem Brandenburger Tor umzieht.
Der Potsdamer Platz um 1871
Die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 – Das Deutsche Reich ist ein Bundesstaat, der nach der Idee der Verfassung durch die Fürsten einiger deutscher Staaten (ohne Österreich) und durch den Norddeutschen Bund gestiftet wurde. Seine Verfassung lehnte sich stark an der des Norddeutschen Bundes an, wie sie nach dem Krieg 1866 entstanden war. Stärkstes Land war Preußen mit etwa zwei Drittel der Bevölkerung. Die Vorschriften der Verfassung erfüllten drei verschiedene Aufgaben. Einerseits wurde im Außenverhältnis (Verhältnis von Staat zu Staat) die Zuständigkeit des Reichs von der Zuständigkeit der Gliedstaaten nach dem föderativen Prinzip abgegrenzt („Verbandszuständigkeit“ des Reiches). Hier folgt die Verfassung dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Wo nicht das Reich durch die Verfassung ausdrücklich für zuständig erklärt wurde, waren die Bundesstaaten berufen („im Zweifel für die Bundesstaaten“). Die Zuständigkeit des Reiches war in der Verfassung nach den Staatsfunktionen (Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung) höchst unterschiedlich geregelt. Anderseits stellte die Verfassung ein Organisationsstatut dar, in dem die Staatsorgane des Reichs benannt und ihre Kompetenzen untereinander festgesetzt wurden (Organzuständigkeit). Soweit die Vorschriften der Reichsverfassung die Organzuständigkeit regelten, stellte die Verfassung ein reines Binnenrecht dar. Eine dritte Art von Vorschriften regelt das Verhältnis zwischen den Bürgern (Untertanen) und dem Reich. Dieses Rechtsverhältnis ist in der Verfassung nur vereinzelt einer Regelung (z. B. Inländergleichbehandlung, Wehrpflicht) zugeführt worden. Auf einen umfassenden Grundrechtskatalog wurde verzichtet.
Zunächst werden die Zuständigkeiten des Reichs überhaupt geschildert. Danach erfolgt ein Überblick über die Staatsorgane (Bundesrat, Kaiser und Reichskanzler, Reichstag) und ihre Kompetenzen. Im Anschluss wird auf das Verhältnis zwischen Bürgern (Untertanen) und Reich eingegangen (Grundrechte) und die Praxis des Verfassungslebens geschildert.